Abu Abfall
Mt Abu ist ein Berg und ein Ort gleichermaßen. Er liegt in wunderschöner, natürlicher Umgebung. In seinem Zentrum befindet sich der bezaubernde Nakki-See, umgeben von Hügel mit ursprünglicher Vegetation. Sogar Leoparden und Bären leben hier. An seinem Ufer liegt der so genannte Honeymoon-Point, ein Ort, an dem Paare in ihren Flitterwochen die einzigartige Natur genießen. Vom Toadrock, einem krötenförmigen Felsen, der hoch über See und Städtchen thront, genießen Besucher das beeindruckende Panorama über die Umgebung. Ein märchenhafter Ort.

Zu schade, um vollgemuellt zu werden. Natur in und um Mount Abu

Eine weniger märchenhafte Seite hat der Berg aber auch. Bei genauer Betrachtung sind all diese romantischen Orte total zugemüllt. Wenn es sich ausgeflittert hat am Honeymoon-Point, hinterlassen sogar die verliebten Paare Unmengen an leeren Plastikflaschen- und Tüten. Der Weg hinauf zum Toadrock ist gesäumt von allerlei Unrat und im See selbst treiben neben halb abgesoffenen Tretbooten die Hinterlassenschaften vieler Besucher. Der ganze Müll hat seinen Ursprung in der Hauptstraße Mt Abus. Hier reiht sich Fastfoodbude an Nippesgeschäft an Massagesalon.

Der Ort erfreut sich größter Beliebtheit bei Touristen aus dem benachbarten Bundesstaat Gujerat. Dort ist Alkoholausschank verboten, hier, in Rajasthan, nicht. Die gut betuchten und feierlustigen Ausflügler kommen also, um für ein paar Tage der Prohibition zu entgehen und mal kräftig die Sau rauszulassen. Zu erkennen sind sie an ihren Geländewagen und insgesamt lautstarkem Auftreten – in Gruppen mäandern sie um den See. Ich werde ständig aufgefordert auf Gruppenfotos zu posieren und vom Whiskey zu naschen.

Trotz mangelhaften Umweltbewusstseins, lustige Voegel. Ausfluegler aus Gujerat.

All dies geht Ashok gewaltig gegen den Strich geht. Er ist hier aufgewachsen und sieht seine Heimat seit einigen Jahren durch den Feiertourismus bedroht. ‚Höchstens 20 Jahre’, sagt er, ‚solange wird es noch dauern, bis der heilige Mt Abu verkommen ist zu einem stinkenden Müllhaufen.

Abu Abfall - Unrat im Nakki-See

Ashok organisiert Treks in die Wälder der Umgebung. ‚Sustainable’, nachhaltig, wie er sagt und man glaubt ihm aufs Wort. Auf einer Wanderung erzählt er von Leoparden und Bären, die man hier immer seltener zu Gesicht bekommt und vom Urwald, der immer schneller neuem Bauland für Hotels zum Opfer fällt. Einige reiche Touristen, erzählt er, machen sich einen Spaß daraus, in der Umgebung zu jagen. Beliebtester Abschuss sind natürlich Leoparden. Das ist natürlich illegal, bei entsprechender Bezahlung interessiere das hier aber niemanden. In der Hauptstraße des Ortes befindet sich sogar ein Waffengeschäft – hier findet der geneigte Tierliebhaber alles für seinen Freizeitspaß. Ein schlagendes Argument des Verkäufers: ‚Schon die alten die Maharadschas liebten es zu jagen.’

Ein wenig erinnert Naturliebhaber Ashok an Don Quichotte. Nur kämpft er nicht gegen Windmühlen, sondern gegen behördliche Willkür. Seine Vorschläge wenigstens die Natur sauber zu halten, prallen an den Mächtigen ab. Seine jüngste Idee, die er durchzusetzen versucht, ist ein Pfandsystem für Plastikverpackungen. Jeder, der die Hauptstraße mit seinen Geschäften verlässt, beispielsweise zum Honeymoon-Point, wird angehalten den Müll in spe an einem Check-Point gegen eine Wertmarke einzutauschen. Nach dem Auflug werden die Einwegbehälter dann wieder zurückgegeben. So bleibt der Abfall zumindest erst einmal an einem zentralen Ort. Was dann damit passiert, müsse man sehen – schließlich gibt es keine Müllabfuhr. Ashok ahnt allerdings, dass seine Idee sich in der geldgeilen Umgebung Mt Abus nicht umsetzen lassen wird. Bei den örtlichen Hoteliers und Gaststättenbetreibern herrscht Goldgräberstimmung dank des Alkoholverbots in Gujerat. Die Angst, die Touristen mit unangenehmen Auflagen zu vergrätzen ist groß.

nachdenklicher Umweltschuetzer Ashok lauscht den whiskeyseligen Gesaengen, die vom Sunset-Point herueber wehen

Zusammen mit einer kleinen Gruppe erklimmen wir einen Felsen hoch über der Stadt, von wo man bei klarem Wetter einen herrlichen Sonnenuntergang genießen kann. Auch bei Wolken vergangenem Himmel ist es schön. Für seine Touren musste er den Standort wechseln, erklärt Ashok – vom gegenüberliegenden Sunset-Point hierher. Den haben seit kurzem die Reisehooligans für sich eingenommen. Ashok sagt, die Natur ist göttlich. Sie ernährt uns und muss daher immer und überall mit Respekt behandelt werden. Wer das nicht verstanden hat, begreift gar nichts. Zum Abschluss der Tour, werden wir aufgefordert, die Hände zu falten, die Augen zu schließen und uns für die Einzigartigkeit der Natur zu bedanken. Während wir das tun, weht aufgeregtes Gejohle und Gegröle durch den Nebel vom Sunset-Point herüber und es wird klar, dass Ashok noch viel Missionarsarbeit vor sich hat. j

Bergschule - hier will Ashok in Zukunft ansetzen




monty freeman am 20.Sep 11  |  Permalink
Großes Kino...
...mal wieder sehr schön Jan, I love your style. Ganz schön ernüchternd aber auch - Touris, die sich ihr eigenes Paradies zusauen. Die sollten einmal pro Woche ein "Save the Nature"-Day mit den Touris veranstalten: Jeder bekommt Müllsäcke in die Hand gedrückt, die es in fröhlich-kamerdadschaftlicher Pfadpfindermanier zu füllen gilt. Dafür darf dann mit nem Heiligenschein, nem coolen Gruppenfoto und einem "I helped to save the world"-Aufkleber nach Hause fahren. :) Freu mich auf die nächste Etappe!