Spirituelle Tour de Force - Buddhas Buddies
Trotz des mehr oder weniger schönen Frühlingswetters, das bedeutet in Changchun Temperaturen um die 0°, hab ich kalte Füße bekommen. Gut, dass ich zurzeit nicht gerade vor Arbeit umkomme. So konnte ich noch einen kleinen Ausflug machen – und zwar ins kulturelle Herzland Chinas. Auf einer 7-tägigen religiösen, philosophischen und spirituellen Tour de Force habe ich versucht zu verstehen, was die Chinesen so umtreibt außer Konsum und schnödem Mammon. In den Provinzen Henan und Shandong bin ich dabei auf allerlei illustre Gestalten getroffen. Konfuzius war dabei genauso wie Laozi und Buddha, aber auch vertraute Gesellen wie Jesus und Mohammed.
Der weise Laozi erscheint für Reisen dieser Art der beste Ratgeber. Er folgt dem ‚Wu Wei’, dem Prinzip des ‚Handelns ohne Kraftaufwand’. Dieses Prinzip lässt sich gut mit chinesischen Reisegruppen vereinbaren. Hier wird man ohne Aufwand mitgetrieben…


Buddha und Buddies

Allerdings ist das selten entspannend. Das habe ich erfahren in den Fängen einer Reisegruppe in den Longmen (Drachentor) Grotten in der Nähe der Stadt Luoyang. Auf einer Länge von etwa einem Kilometer entlang des Yi-Flusses haben vor mehr als 1500 Jahren Anhänger Buddhas begonnen, Skulpturen mit seinem Antlitz in den Stein zu hauen. Innerhalb der Grotten befinden sich dabei ganz unterschiedliche Figuren, einige sind gerade mal fingerhutgroß, andere sind bis zu 13m hoch. Die Geschichte dieses beeindruckenden Gesamtkunstwerks ist wechselhaft – waren einige Dynastien dem aus Indien kommenden Buddha wohl gesonnen, haben andere Herrscher ihn zum Sündenbock für ihre eigene Unfähigkeit gemacht und viele Statuen zerstören lassen. Zuletzt wurde eine weitere chinesische Gottheit eifersüchtig - Mao Zedong ließ während der Kulturrevolution in den 60er Jahren einen aggressiven Mob namens ‚Rote Garden’ auf die Figuren des friedvollen Meditationskünstlers los. Ausgerüstet mit derbem Werkzeug machte sich dieser über die Gesichter der Statuen her. Nachträglich hat aber wohl der große Steuermann den herberen Gesichtsverlust zu beklagen. Auf jeden Fall in meinen Augen – wie die Chinesen diesen Konflikt für sich lösen ist mir unklar, denn sowohl Buddha als auch Mao erfreuen sich größter Beliebtheit.

Schwierig ist es, die Geschichte des Ortes auf sich wirken zu lassen. Es gibt kein Entrinnen – an diesem Ort sind die Reisegruppen allmächtig, an Wochenenden sowieso. Auf dem riesigen Parkplatz vor den Grotten entladen Reisebusse ihre Fracht. Man kann beobachten, wie sich die Teilnehmer sofort hinter ihren Gruppenführen versammeln und Befehle abwarten. Die Gruppenmitglieder tragen, je nach Veranstalter, entweder bunte Kappen, T-Shirts oder beides. Die Befehle kommen prompt per Megaphon, daraufhin setzt die Menge sich in Bewegung. Immer den bunten Fähnchen des Reiseleiters hinterher.

Reisegruppe am Longmen. Eine allein ist harmlos. Wenn sie sich vereinen droht...

...Tourist Mayhem

Entlang der Grotten führt nur ein schmaler Pfad, von dem aus man die Statuen bewundern kann. Der Pfad ist schmal, die Reisgruppen sind groß und ich werde schnell gezwungen, es mit dem ‚Dao’ des alten Laozi zu halten, nämlich nicht in einem stetigen Akt des Willens Widerstand zu leisten. Ich lasse mich mitreißen in ihrem mächtigen Strom. Auch dass ich als Laowai ab und zu selbst als Attraktion herhalten muss, lass ich gleichmütig geschehen.

Erkenntnis des Tages: An Wochenenden keinen ‚Scenic Spot’ aufsuchen.

Spaeter am Nachmittag wird's uebersichtlicher. Aus einiger Entfernung sind die Grotten umso eindrucksvoller.


Um die Ecke der Drachtor-Grotten befindet sich ein weiteres buddhistisches Highlight. Der heilige Berg Song (Song Shan) und zu seinen Füßen das berühmte Shaolin-Kloster. Nach einer mörderischen Busfahrt in einem Kleinbus komme ich auch noch am selben Abend in der Nähe des Mönchsordens an. Das Kloster befindet sich im Niemandsland, es wird dunkel und ich weiß nicht so richtig wohin. Natürlich wird schnell ein netter Fahrer und Drücker in Personalunion auf mich aufmerksam und ich habe keine Wahl, als mich in seine Obhut zu begeben. Er quartiert mich ein im runtergerockten aber günstigen Gasthaus seines Freundes ein und dreht mir bei der Gelegenheit gleich noch ein Ticket für eine Shaolin-Show an. Ich greife zu – und stelle fest: manchmal kann man auch auf zwielichtige Gestalten hören. Es hat sich gelohnt. Inszeniert in einem Freilichttheater wie in Bad Segeberg vor der überwältigenden Kulisse des Song Shan ist alles dabei. Von wahnsinnigen Kung-Fu- und Stockkampfeinlagen und bombastischer Massenchoreographie über lieblichen Gesang und donnernden Drumbeats bis zu abgefahrenen Lichteffekten. Sogar eine Story hat die Show – der konnte ich nur bedingt folgen, aber es kommen eine Herde Ziegen, ein Ochse, ein Pferd, eine schöne Frau, ein flötespielender Junge und viele Kämpfer darin vor.

School of Monks

Auf dem Gelände des Klosters kann man die Ausbildung der Mönche bestaunen. Militärisch gedrillt folgen die einzelnen Klassen den Anweisungen ihrer Lehrer. Sie lernen Fußfeger, geschmeidiges Abrollen und Stockkampf. Der spirituelle Teil der Lehrer findet wohl im Kloster statt. Neben der abendlichen Show kann man sich auch hier von der Kampfkunst der geschäftstüchtigen Mönche überzeugen. Im Rahmen einer kleinen Darbietung kann man sich mit den Shaolin Waffen ausrüsten und zusammen mit den Mönchen fotografieren lassen. Nach der halbstündigen Fotoorgie werde ich Zeuge von allerlei Kampfperformances und von einem Mönch, der eine Stecknadel durch (!) eine Glasscheibe wirft. Die Scheibe bleibt heile und der dahinter hängende Luftballon platzt. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat.

Moench wirft Nadel durch Scheibe. Unglaublich.

Kampfmoenche

Wenn man genug hat von den Mönchen und ihren Einlagen kann man sich aufmachen, den heiligen Song Shan zu erklimmen. Da immer noch Wochenende ist, wird der Aufstieg zu einem Martyrium aus ‚Hellos’ und ‚How are you’ rufen. Eine Klassenlehrerin weist ihre Schüler auf mich hin. Durch ihr Megaphon ruft sie irgendwas mit ‚Wai Guo Ren’ (Mensch aus fremden Land), woraufhin sich alles zu mir umdrehen und ihre Englischkenntnisse ausprobieren. Das alles ist wirklich nett, aber nur in Maßen zu ertragen. Auf dem Gipfel überwältigt mich dann doch buddhistische (oder die allseits gepredigte chinesische?) Harmonie und ich freue mich, am nächsten Tag Bekanntschaft mit einem weiteren Großmeister fernöstlicher Philosophie zu machen – mit Meister Kong in seiner Geburtsstadt Qufu.




kammann am 01.Apr 10  |  Permalink
6000 Stufen
....auf den 1500m hohen Song Shan führen über 6000 Treppenstufen. Wie hast Du das denn gemacht?????
Gruss aus Ipp......

henninger am 01.Apr 10  |  Permalink
Double Hapiness
War hier der Karftstoff...Nehme ich an. Schließ Dich lieber den Mönchen an. Danach kannst Du mit dem chinesischen Staatszirkus durch die westliche Welt tingeln.

jan kammann am 01.Apr 10  |  Permalink
Double Happiness und Eierpfannkuchen...
haben mich auf den Berg getrieben. Der Tai Shan ist aber noch höher. Fast 7000 Stufen. Ihr werdet davon hören.
Und ja...wenn mir der Mönch beibringt, wie man Nadeln durch Scheiben schmeißt, könnt ihr mich demnächst in der Fußgängerzone bewundern. Ich brauch dann allerdings 2 Helfer. Einen Knecht und einen Hilfsknecht. Wie wär's Henninger und Kammann? Happiness is a warm needle!