Vorm Tor eiskalt - Changchun Yatai
Der Winter kam plötzlich. Sibirische Verhältnisse haben Einzug gehalten in Changchun - und das pünktlich zum Saisonfinale der chinesischen Super Soccer League. Nicht dass das hier irgendjemanden auch nur im Geringsten interessieren würde - Fußball ist und bleibt eine Randsportart. Obwohl 'Changchun Yatai', das Profiteam der Stadt, über Jahre die chinesische Liga domniert hat, kennt es kaum jemand. So auch der Taxifahrer, der mich mit zwei gleichgültigen Neuseeländern zum Spiel fahren sollte - er erwischte original das falsche Stadion. Ratlosigkeit. 'Wer soll hier spielen und wann?', fragt er ahnungslos. Für mich völlig unverständlich, kann sein Team doch dieses Wochenende erneut chinesischer Meister werden. Es ist nämlich so: An der Tabellenspitze befinden sich mit jeweils 48 Punkten Beijing Guoan und Henan Siwu, gefolgt von Changchun Yatai mit 47 Zählern. Yatai muss also auf Patzer der anderen Teams lauern.

Nach einer endlosen Tour durch die Stadt, erreichen wir dann mit Verspätung das richtige Stadion. Karten sind kein Problem. Das Taxi wird sofort von bestürmt von Ticketverkäufern - 3€ das Stück sind nicht zuviel.

Drinnen ist es zugig. 15 Grad minus und ein eisiger Wind. Ich merke sofort, dass mein Schuhwerk nicht wintertauglich ist. Das Stadion ist etwa zu einem Viertel gefüllt, etwas abseits in der Kurve haben sich die Ultras schon warmgesungen. Sie tragen einheitlich rote Shirts und haben die Banden mit Transparenten ausgekleidet. Zu hören sind Fangesänge, die mir aus deutschen Stadien bekannt sind. Das wirkt irgendwie niedlich, sieht die Gruppe aus der Entfernung doch echt verloren aus. Aber man merkt, sie hoffen und fiebern noch auf den Titelgewinn.

Dann passiert es. Yatai geht mit 1:0 in Führung. In der Fankurve werden bengalische Feuer gezündet. Die Euphorie vertreibt die Kälte, denn gleich wird nachgelegt. 2:0 kurz vor Ende der ersten Halbzeit. Nützt aber alles nichts, wenn nicht gleichzeitig Peking und Henan patzen. Dann auch noch der Anschlusstreffer für den heutigen Gegner Chongqing Lifan, der offenbar ohne den guten alten Kugelblitz Ailton angereist ist.

Die Homecrowd ist außer sich. Noch kann Yatai Meister werden.

Halbzeit. Kein Bier, keine Bratwurst. Sonnenblumenkerne sind hier der einzige Stadionsnack - allerdings ist es unmöglich die Kerne bei dieser Kälte zu öffnen. Dann geht's weiter. Jetzt bei Flutlicht. Das Spiel plätschert nur so dahin - irgendwann fällt aus heiterem Himmel das 3:1. Verhaltener Jubel. Auch die Ultras wirken jetzt wie eingefroren. Vielleicht sind sie es sogar, sie stehen mit dem Gesicht im immer stärker werdenden Wind. Die Temperaturen sind noch mal um ein paar Grad abgerutscht seit die Sonne weg ist. Vielleicht haben sie aber auch von Pekings Führung erfahren. Um das zu klären, reichen meine Sprachkenntnisse nicht aus.

Vorm Tor eiskalt - Changchun Yatai

Gegen Ende fällt noch das 3:2. Das war's - leider hat es nicht zur Meisterschaft gereicht - Peking hat einen souveränen Sieg eingefahren und ist somit chinesischer Meister. Für die Provinzkicker aus Changchun reicht es immerhin noch für Tabellenplatz zwei, denn Henan hat noch Punkte gelassen.

...die Ultras schöpfen noch Hoffnung

Der Stadionbesuch war ein interessantes, wenn auch eiskaltes, Ereignis. Die chinesischen Fans sind mit Leib und Seele dabei. Sehnlichst wünschen sie sich mehr Anerkennung für die Super League – ihre Vorbilder spielen allerdings deutlich erkennbar an ihren Fanklamotten in den europäischen Ligen – ManU und AC Mailand sind dabei die Favoriten. Als wir das Stadion verlassen, ist da wieder diese Gleichgültigkeit. Das Stadion liegt ein Stück außerhalb der Stadt – kein Bus, kein Taxi in Sicht und so bleibt uns ein Gewaltmarsch bei sibirischen Verhältnissen nicht erspart. Ailton hat mal wieder alles richtig gemacht. Er hat es wohl kommen sehen – Abstieg seines Teams in die zweite Liga, arktische Kälte und schlechte Laune. Dann lieber Vertragsverhandlungen in der albanischen Provinz.

alles gegeben und doch verloren -  Yatai-Fan