Anekdoten
Ärzte im Praktikum

Neuerdings tragen die Pförtner, die das Schultor bewachen, strahlend weiße Kittel. Sie sind nun nicht mehr nur Herren über das Rolltor, sie sind auch Ärzte, ausgestattet mit einem Fieberthermometer. Damit nehmen und dokumentieren sie die Körpertemperatur eines jeden, der das Schulgelände betritt. Das geht ganz flott. Das Gerät wird nur kurz vor die Stirn des zu Testenden gehalten und schon erscheint auf einem kleinen Display die Temperatur. Schweinegrippe grassiert. Panik herrscht. Andere Schulen wurden bereits geschlossen. Auch tragen viele in diesen Tagen einen Mundschutz, gerne über das ganze Gesicht gezogen. An mir geht der ganze Grippehype irgendwie vorüber - bekomme von der Hysterie nur wenig mit. Die Zeitungen kann ich nicht lesen und den anderen Ausländern ist das alles egal. Also wird auch nicht drüber geredet. Außerdem bin ich wohl nach wie vor schweinegrippefrei, denn bisher durfte ich das Tor noch jedes Mal passieren.


Schlägerei, Ehestreit, Unfall

Kürzlich kam es direkt vor dem Schultor zu einer Schlägerei. Offen ausgetragede Agressionen sind in China eigentlich selten, aber manchmal platz wohl jedem mal der Kragen. Es gingen jedenfalls zwei Männer mit Fäusten aufeinander los. Das bemerkenswerte an dieser Geschichte ist allerdings nicht so sehr die Schlägerei als solche, sondern vielmehr das Verhalten der Passanten. Völlig unverblümt bleiben sie stehen und gucken sich das Spektakel an. Auch die Bus- und Taxifahrer auf der stark befahrenen Straße hielten einfach an, um sich die Auseinandersetzung anzuschauen. Sie lösten dabei einen Stau aus.

Ähnliches konnte ich bei einem Ehestreit beobachten. Eine laut ausgetragende Pöbelei auf einem Supermarktparkplatz. Alle blieben stehen und hörten sich das Geschrei an. Den Streitenden ist das offenbar egal. Ich habe den Eindruck, je mehr Publikum sie bekommen, desto lauter werden sie. Irgendwann rennen die beiden wutentbrannt auseinander und die Leute gehen weiter ihrer Wege - ob sie das eben Gehörte noch diskutieren, kann ich natürlich nicht sagen.

Auch konnte ich dieses Verhalten vor kurzem in Zusammenhang mit einem Autounfall beobachten. Soweit ich das überschauen konnte, gab es keine Verletzten aber beträchtlichen Sachschaden. Wieder das gleiche Bild. Der Ort des Geschehens wird sofort von Schaulustigen umringt. Sie schauen sich die streitenden Fahrer an, die gerade dabei sind, die Schuldfrage zu klären. Die beiden lassen sich von der Menge aber überhaupt nicht beeindrcken. Auch hier wird ein beträchtliches Verkehrschaos durch das Publikum verursacht.

Mann kann hier seine voyeuristischen Neigungen (Neugier) also voll ausleben - schließlich steckt doch in jedem von uns ein Gaffer, oder?

knipswütig

Auf meiner Wanderung durch den Changbai Shan wurde ich von einer Chinesin namens Queen begleitet. Bis zum atemberaubend schönen Himmlischen See war sie noch bester Laune. Nach ein paar Fotos stellte sie allerdings fest, dass ihr Akku für ihre Kamera leer ist. Von da an war der Ausflug für sie gelaufen. Ich habe beobachtet, dass viele Touristen (eigentlich fast alle) die Umgebung dort nur durch ihre Linse wahrnehmen. Sie halten auch nicht kurz inne und lassen die Umgebung auf sich wirken. In Pose werfen, Foto machen und sofort weiter zum nächsten Hotspot. Irgendwann sagte ich zu Queen, dass sie doch auch so den herrlichen Ausblick genießen könne. Sie schnaubte nur verächtlich.
Ihrer Meinung nach, ist meine Kamera von minderer Qualität. Also war mein Angebot, sie in den für meine Begriffe merkwürdigen Posen vor den Sehenswürdigkeiten zu knipsen und ihr die Fotos später zu schicken in ihren Augen zwar gut gemeint, aber ihren Tag retten konnte es auch nicht.