Himmlische Gesänge am Himmlischen See
Trekking im Changbai Shan ist ein echtes Erlebnis. Zu bestaunen gibt es einen Himmlischen See, einen Wasserfall, heiße Thermalquellen und hübsche Birken- und Kiefernwälder, außerdem einen Blick auf Nordkorea, dem Reich des legendär bösen Kim Jong-Ill. Alles nett herausgeputzt und leicht zugänglich gemacht für die stetig anwachsenden Touristenströme.

Das eigentliche Highlight für mich war allerdings nicht der Park, sondern die Teilnahme an einem Camp zusammen mit einer chinesichen Reisegruppe. In die Fänge dieser Gruppe geriet ich durch die nette Hostelinhaberein, die wohl Mitleid mit mir alleinreisenden Alien hatte. Sie trug mich einfach in die Teilnehmerliste ein.

Ich wurde also angehalten, mich nach dem Parkbesuch um halb 5 am Ausgang einzufinden. Dort stand dann auch schon ein Kleinbus bereit, in dem die anderen Campteilnehmer bereits auf mich warteten. Die Gruppe war sichtlich erfreut, als ich den Bus betrat. Sofort wurde mir Hühnchen aus der Tube (!) und Obst angeboten. Sehr nett alles. Zum Glück waren unter ihnen auch einige Hong Kong-Chinesen. Die können zumeist ein paar Brocken Englisch, ihnen stand ich dadurch nicht völlig sprachlos gegenüber. Auch übersetzen sie meine 'Unterhaltungen' mit dem Rest der Crew.

Nach kurzer Fahrt erreichten wir das Camp. Es liegt mitten im Wald und besteht aus einigen Sitzgelegenheiten, einer Feuerstelle und einem runtergekommenen Bus, der als Lager und Schlafplatz für ca. 15 Leute dient. Betrieben wird das Camp von ein paar Männern, die schon eifrig dabei waren, alles herzurichten. Sie gehören der koreanischen Minderheit an, die in dieser Region recht stark vertreten ist. Oft handelt es sich um Flüchtlinge aus dem jenseits des Changbai Shan gelegenen Reich der Finsternis. Die Jungs hatten das Feuer schon am laufen und bereiteten ein koreanisches Barbeque und einen Hotpot vor. In einem Hotpot wird ein Sud erhitzt, in den dann allerlei Zutaten geschmissen werden. In diesem Fall verschiedene Gemüse, Hühnerhälse, Fischbällchen, Glasnudeln und viele Pilze. Lecker alles. Dazu wird jede Menge Bier gereicht.

Nach dem Essen ging es zum gemütlichen Teil über. Lieder singen. Als erstes die chinesische Nationalhymne. Die Gruppe brachte mir geduldig einige Textzeilen bei. Ich blieb beim Mitsummen. In China kennt jeder die Nationalhymne. Warum das so ist, davon kann ich jeden Montag in der Schule überzeugen.

Dann wurde ich aufgefordert, meinerseits die Hymne meines Landes zum besten zu geben. Ich überlegte kurz, ob ich aufgrund der Textsicherheit unsere Hymne durch das Werderlied ersetzen sollte. Dummerweise entschied ich mich dagegen. Nach der ersten Strophe geriet ich ins Stocken und wusste nicht mehr weiter. Völlig unverständlich für die durch und durch patriotischen Chinesen. Sie runzeln die Stirn. Einer sagt 'You are a bad citizen'. Ich solle doch dann wenigstens anderes deutsches Liedgut vortragen. Ich bat erstmal um Bedenkzeit. Irgendwie fiel mir nichts ein. In der Zwischenzeit folgten noch einige chinesische Volkslieder. Unglaublich. Alle können mitsingen. Ich summe mit und überlege krampfhaft.

Nun war es wieder soweit, ich war an der Reihe. Alle lauschen gespannt als ich 'Eisgekühlter Bommerlunder' anstimme. Wenig Text, eingängige Melodie. Der Song geht auch direkt in chinesische Ohren - Und dass sogar, obwohl er von einem absolutem Antisänger vorgetragen wird. Schon nach zwei Durchgängen singen die ersten mit. In der vierten Runde sind dann fast alle dabei. 'Eingekühler Bommerlunder, Bommerlunder eisgekühlt. Dazu ein belegtes Brot mit Schinken. SCHINKEN! ein belgtes Brot mit Ei. EI!..usw'. Bei den Schinken und Ei Rufen muss ich jedes mal laut auflachen. Ist irgendwie lustig, eine chinesische Reisgruppe dabei zu beobachten, wie sie insbrünstig deutsche Brotbeläge in die Nacht brüllen - und das mitten im Wald. 'Worum geht's in dem Lied', werde ich gefragt. 'Ist ein Volkslied, das jeder kennt', antworte ich. 'Man trinkt gerne Schnaps dazu.'

Um halb 10 ist dann schon schlafenszeit. Am nächsten Morgen steht das nächste Highlight an. Pilze sammeln im Wald. Es gibt viele Pilze in diesem Wald - und jeder Pilz ist für die Gruppe ein willkommenes Fotomotiv. Jeder, aber auch wirklich jeder, muss mit einem gefunden Pilz vor der Kamera posieren. Dadurch zieht sich der Ausflug unheimlich. Ich hab schon bald keine Lust mehr, weil ich als Exot auch ständig mit dem Pilzkorb posieren muss. Nach endlosen Stunden erreichen wir endlich das Camp. Nun werden die Pilze fachmännisch sortiert und geputzt und dann in den Wok geschmissen. Mittagessen. Auch darüber freuen sich alle und machen unendlich viele Fotos. Das Ganze erinnert mich etwas an einen Schülerausflug ins Cloppenburger Museumsdorf. Stockbrot selber backen und essen. Alle achten penibel darauf, dass auch ja ein von ihnen selbst gesammelter Pilz auf dem eigenen Teller landet. Alle anderen schmecken schließlich nur halb so gut.

in den Pilzen

Nach dem Mittagessen ist dann Feierabend für uns und die Vorhut der nächsten Reisegruppe erreicht das Camp. Wir werden mit dem Bus zurück nach Baihe gefahren und jeder geht seines Weges. Abschiednehmen geht hier ziemlich unsentimental vonstatten. Von einigen höre ich noch nicht mal ein einfaches Zai Jian - und dass, obwohl wir am Abend zuvor noch gemeinsam Trinklieder der Toten Hosen geschmettert haben. Andererseits - ein Abschiedsfoto war dann doch noch drin.

meine Mitbewohner im Camp Changbai Shan




lebemann g am 29.Sep 09  |  Permalink
mhhh...Tubenhuhn, besonders in Kombination mit Obst absolut unschlagbar!

jan kammann am 29.Sep 09  |  Permalink
aber hallo... leider muss man das Obst oft noch konventionell kauen. Aber ich schau mal, das gibt's bestimmt auch in Tuben.

lebemann g am 30.Sep 09  |  Permalink
...dann braucht man auch keine Zähne mehr, vielleicht noch nen in den Rachen integrierten Nährstofffilter - obwohl - Nährstoffe sind da ja eh nicht drin ?!?