‚How did you spend your summer vacation?’
Nun ging es also wirklich los. Nach all dem Hin und Her im Vorfeld war ich doch ziemlich nervös, als ich eine Stunde vor Unterrichtsbeginn die Nachricht erhielt, heute meine ersten Stunden zu geben. Schnell bereitete ich eine kurze Präsentation vor, in der ich mich selbst und das Land aus dem ich komme kurz vorstelle. Da mein eigentlicher Job ja darin besteht, Deutsch zu lehren, dachte ich, ich könnte auf englisch über Deutschland reden. Ist ja auch was.
Dummerweise fiel der Strom aus, just als ich mit meiner Präsentation beginnen wollte. Dann also analog und an der Tafel.
Da Zhong, Volkswagen, ist bestimmt ein guter Aufhänger, in einer Stadt, in der vor kurzem der 3 millionste Wolfsburger vom Band gerollt war. Und siehe da: ‚Kennt ihr Da Zhong?’ daraufhin alle im Chor: ‚Jaaaa!’.
‚Was wisst ihr denn sonst noch über Deutschland?’. Ich erfuhr Bermerkenswertes. Die Schüler hatten keine Möglichkeit, sich auf den Unterricht vorzubereiten, trotzdem waren Antworten wie 'Da fanden 1936 die olympischen Spiele statt.’, 'Mercedes ist eine deutsche Automarke. Die bauen Luxuslimousinen’, 'die deutsche Fußballmannschaft spielt ziemlich gut’ aber auch 'die Menschen in Deutschland sind alle groß’ dabei – und das in flüssigem Englisch. Außerdem ist Bayern München einigen ein Begriff - Werder Bremen leider nicht.

Anhand einer provisorischen Karte, die ich an die Tafel gemalt habe, erklärte ich dann die geographischen Besonderheiten Deutschlands – und wie wir dort unsere Freizeit verbringen. An der See kann man schwimmen, sonnenbaden und surfen, in den Bergen wandern, skilaufen und klettern. Damit leitete ich die heutige Einheit ein: ‚How did you spend your summer vacation?’
Auch dabei bekam ich Erstaunliches zu Hören. Die häufigsten Antworten waren:

- in den Ferien mache ich Hausaufgaben
- in den Ferien wiederhole ich den Unterricht
- in den Ferien lese ich viel

aber auch

- in den Ferien gehe ich gerne Einkaufen
- in den Ferien schaue ich gerne Actionfilme
(Jungs und Mädchen)
- in den Ferien surfe ich im Internet und spiele
Basketball
- in den Ferien besuchen wir die Verwandten
(viele Schüler kommen nicht aus Changchun, sondern
aus der ganzen Provinz Jilin)

Ein Schüler erklärte außerdem, er versuche, in seiner Freizeit hübsch auszusehen. Auf die Frage, wie ich mir das denn vorstellen müsse, sagt er: ‚Ich mache mir die Haare mit Gel und ziehe viele Klamotten vor dem Spiegel an.’ Er wolle schließlich bei den Mädchen gut ankommen. Auf die Frage, ob ihm das denn auch gelinge, grinst er nur. Die Mädchen tuscheln und kichern - habe ihn doch nicht etwa in Verlegenheit gebracht? Glaube nicht, denn er streicht sich nur cool eine Haarsträhne aus der Stirn. Echter Player, der Bursche.

Dann ist die Stunde auch schon rum. Mir hat's Spaß gemacht. Alle hören aufmerksam zu, schreiben fleißig mit und springen sofort auf und antworten, wenn man auch nur kurz in ihre Richtung schaut. Außerdem kann auch ich hier jede Menge über Chinesen lernen und die Floskeln ausprobieren, die Seagull mir beigebracht hat. 'Bye Bye Mr. Yang' rufen alle zum Abschied.

Nun jedoch erfahre ich, dass ein Komitee darüber beraten muss, ob ich auch weiterhin eingesetzt werden kann. Sechs Damen und Herren hatten in den hinteren Reihen Platz genommen und mich die Stunde über mit steinernder Miene beobachtet. Was das alles zu bedeuten hat - keine Ahnung. Ich werde angerufen, heißt es. Wahrscheinlich treffen sich jetzt alle im Videoüberwachungsraum und beratschlagen, wie mit meinem weiteren Schicksal zu verfahren sei. Schon wieder warten...ich geh jetzt los, buch ne Reise und nehm einen Zweitjob an.




monty freeman am 15.Sep 09  |  Permalink
Mein Bester, ich bin stolz auf Dich und ziehe meinen Hut. Das, was Du machst, kann wirklich nicht jeder und es gehört 'ne große Portion Mut dazu.. weiter so!

Aloha aus der Hopfenstrasse, Malte

henninger am 15.Sep 09  |  Permalink
Wow!
Die Chinesen wissen scheinbar mehr über unser Land als die Yankees, Tommys und Aussies zusammen.
Keiner gröhlt: "Germany? That´s Beer & Hitler!"
Dazu sind sie allesamt höflich, wohlerzogen und diszipliniert.
Besonders großartig und nachahmenswert: DIe Ferienaktivitäten! Das ist ja sagenhaft! Erzähl denen mal bitte, dass die Kinder hier in den Ferien in S- und U-Bahnen pöbeln, Drogen nehmen und im Park alte Omas in den Wacholder ziehen. Da ist mal ein gehöriger Schüleraustausch fällig. China ist besser als jedes katholische Knaben-Internat.
Nur die Bayern-Flausen musste denen noch ausprügeln. Aber die lieben Kleinen sind ja noch weiches Wachs und sehr formbar.
Was mich aber wundert: Wenn die Chinesen so fleißig lernen und arbeiten, warum sind viele Ihrer Produkte dann noch immer von unterirdischer Qualität und werden Weihnachten wieder viele deutsche Kinder aus degenerierten Mittelstandsfamilien bitter enttäuschen, wenn das Puppenhaus Unmengen an Weichmachern und Formaldehydverbindungen ausströmt?

Ansonsten finde ich Deine Aufgabe sehr spannend und faszinierend.

Vielleicht machst Du Deinen Job ja auch so gut, dass Du einen Posten im Zentralkommitee bekommst.

Wir sind stolz auf Dich!

Cheers

Henning

jan kammann am 16.Sep 09  |  Permalink
...um
Ja Ja...