Die totale Schule
Heute hatte ich meinen ersten Schultag. Das heißt - nicht ganz. Für mich geht es erst im Laufe der Woche los. Vorher muss noch überprüft werden, ob ich nun auch wirklich schweine- und vogelgrippefrei bin. Dazu werde ich morgen früh von einem Arzt abgeholt und in einem Krankenhaus untersucht. In der Kantine essen durfte ich aber schon, so schlimm kann die Angst vor mir also nicht sein. Während des Essens wurde mir von Johnson, der plötzlich fiese Erkältungssymptome (!) aufweist, ein chinesischer Name verpasst. Von heute an heiße ich in der Schule 'Tai Yang', was soviel bedeutet wie 'starke Sonne'. Natürlich werde ich mich auch außerhalb meines Arbeitsplatzes von nun an so vorstellen. Vielleicht sogar Visitenkarten drucken? Mal sehen....

Aber der Reihe nach: Um halb 10 wurde ich Zeuge des Fahnenappells, der jeden Montag stattfindet. Sagenhafte 4.000 Schüler sammeln sich auf dem Schulhof und stellen sich unter den Kommandos der Lehrkräfte in Reih und Glied auf. Bei der Menge an Schülern geht das erstaunlich schnell vonstatten. Die Kids sind außerordentlich diszipliniert und keiner macht den Kasper. Dann wird die alte Flagge von einer kleinen Gruppe Schüler eingeholt, während die neue zu den Klängen der Nationalhymne von einer anderen Gruppe feierlich herbeigeschafft und gehisst wird. Ich hab noch nie einen Fahneneid bei der Bundeswehr gesehen, geschweige denn mitgemacht, aber so ähnlich stell ich mir das vor.

geknipst aus meiner Wohnung; gegenüber im Hauptgebäude befindet sich das 'Gehirn'

Die Einhaltung der Disziplin will natürlich auch überwacht werden. Im 7. Stock des Hauptgebäudes befindet sich das 'Gehirn' der Schule. Außer den Räumen der Schulleitung befindet sich hier ein Viedeoraum mit etlichen Bildschirmen, die live aus den Klassenräumen übertragen - und wer weiß wo sonst noch her. Um die Monitore herum scharen sich verschiedene Verantwortliche und beratschlagen, was mit dem ein oder anderen Schüler (oder Lehrer?) zu tun ist. Das 'Gehirn' liegt meiner Wohnung direkt gegenüber und ich kann sehen, dass im 7.Stock sogar nachts noch Licht brennt.

Auch wichtig für Schüler der 'Changchun Foreign Language School' ist das ständige Tragen der blauen Schultrainingsanzüge. Die wirken identifikationsstiftend und sehen gut aus. Denn ganzen Tag sieht man vereinzelte Schülergruppen auf dem Schulhof umherlaufen. Von morgens um 7.00 bis, man höre und staune, halb 10 abends. Und so lange ist auch Unterricht - zwar nicht durchgehend und für alle aber doch für einige. Wahnsinn. Hatten wir nicht früher immer spätestens um 14.00 frei? Diese Kids haben also keine Zeit zum Quatsch machen - und wenn, dann sind sie zu kaputt.

die montägliche Prozedur endet mit einem Marsch in Zweierreihen zurück in die Klassenräume

Die Stimmung auf dem Campus ist trotz der langen Tage aber sehr gut. Versteh' zwar meistens nicht mal bruchstückhaft, was da so geredet wird, aber die Kollegen haben immer ein Grinsen im Gesicht. Ich versteh das mal als Anerkennung und genieße meinen Exotenstatus. Zu meinen Jungs Johnson und Yang hat sich nun auch noch Jason gesellt. Auch ein Englischlehrer. Außerdem ein lustiger Zeitgenosse. Er möchte mit mir Volleyball spielen. An Sportpartnern mangelt es also nicht. Besonders freu ich mich aber auf Freitag morgen - da ist Fußball. Die Lehrerauswahl trainiert und ich darf mitmachen. Geil.