Saturday Night Fever
Das chinesische Zeichen für 'Atmospähre' bedeutet übersetzt heiß und laut. Ganz genauso ist es im legendären Mayflower, dem beliebtetsten Tanzlokal der Stadt. Kommt man rein, steht man auch sogleich mitten in der Atmosphäre. Kein Rückzugsort in Sicht, die Sinne werden betäubt von unfassbar lauter chinesischer Popmusik und einer Wahnsinnshitze.
Die Tanzfläche selbst ist allerdings relativ klein - die Chinesen bevorzugen es, dicht gedrängt an und auf ihren Tischen im Kreise ihrer Bekannten zu tanzen. Die Männer, oft im fortgeschrittenen Alter, gerne auch oben ohne. Häufig stapeln sich auf den Tischen meterhohe Bierdosenpyramiden. Volle Dosen versteht sich - ich vermute, dass es entweder Preisnachlässe auf Massenbestellungen gibt oder es sich um reine Angeberei des gastgebenden Tischinhabers hadelt. Wahrscheinlich letzteres - denn Status, das kann man unter anderem am Straßenverkehr ablesen, spielt eine große Rolle in der chinesischen Gesellschaft.
Nach einiger Zeit unsicheren Rumstehens entdecke ich eine Tür, die ganz offenbar in eine weitere Bar führt. Und siehe da, eine halbe Treppe weiter oben ist Hip Hop angesagt. Eine illustre internationale Menge tanzt zu neunziger Beats mit chinesischen Merkmalen. Darunter viele Russen, Europäer, Amerikaner aber auch einige Afrikaner. Ich treffe ein paar Nigerianer und einen Ghanaer. Die meisten von ihnen sind Austauschstudenten, Mitarbeiter der Autofirmen oder Fremdsprachenlehrer. Der Nigerianer Jones erzählt mir, er wolle chinesisch lernen, sich gleichzeitig aber auch einen Namen in der Changchuner DJ-Szene machen. Er lacht den chinsischen DJ aus und wittert leichtes Spiel.
Merkwürdig ist, dass die chinesischen Herren nur selten den Weg in diesen Teil des Lokals finden. Anders als die Damen, die in kleinen Gruppen verlegen tuschelnd die Ausländer neugierig begutachten - und dass, obwohl hier niemand meterhohe Biertürme baut. Andererseits sind auch nur wenige Ausländer im chinesischen Teil des Mayflower zu entdecken - hier entwickelt sich doch wohl keine 2-Klassen-Partygesellschaft? Widersprechen sich die Feierkulturen von Ost und Ost zu grundlegend? Werde in nächster Zeit mal versuchen, meine männlichen chinesischen Kollegen von ihren Tai Qi-Übungen abzuhalten und in den Laden zu zerren. Mal schauen, was die davon halten.
jan kammann am 07. September 09
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